TAZ: Kein Wort über Menschenrechte
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Mon Sep 29 14:12:38 BST 1997
Kein Wort über Menschenrechte
Die Polizei redet seit Jahren mit türkischen
Polizeioffizieren über die Ausbildung von
Ordnungshütern.
Menschenrechtsverletzungen der türkischen
Behörden werden nicht erwähnt
Die Polizei unterhält seit vier Jahren regelmäßige Kontakte zur
türkischen Polizei - doch die Einhaltung der Menschenrechte
steht bei diesen Gesprächen nicht auf der Tagesordnung.
Bisheriger Höhepunkte der Partnerschaft: Innensenator Jörg
Schönbohm empfing vor zwei Wochen 15 hochrangige
türkische Polizeioffiziere. Nach Angaben der Innenverwaltung
wurde im Rahmen des Besuches über Ausbildungsprogramme
debattiert und Ausbildungseinrichtungen besucht. Auch habe
der "Umgang der Polizei mit Ausländern in Berlin" eine Rolle
gespielt, doch politische Gespräche seien nicht geführt
worden. Nach Angaben des grünen Abgeordneten Riza Baran
hatte die türkische Presse berichtet, daß darüber hinaus über
Kriminalitätsbekämpfung und den Einsatz von Computertechnik
im Polizeibereich gesprochen wurde.
Mißhandlungen und Folterungen durch die türkische Polizei
sind in der Vergangenheit wiederholt von türkischen und
internationalen Menschenrechtsgruppen kritisiert worden. Erst
Ende September verurteilte der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte in Straßburg die Türkei zur Zahlung von
Schmerzensgeld an eine junge Kurdin. Die Frau war durch
Polizisten gefoltert und vergewaltigt worden. Das Gericht rügte
dabei auch die ungenügenden Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft.
Dieses Thema wurde allerdings mit den Besuchern nicht
erörtert. Selbst die Inhaftierung der Berlinerin Güllu Selcuk
durch die Antiterroreinheit der Istanbuler Polizei sei nicht zur
Sprache gekommen, erklärte Schönbohms Pressesprecher
Thomas Raabe. Der Grund: "Mir war der Fall gar nicht
bekannt."
Kritik am Vorgehen des Innensenators übt der bündnisgrüne
Abgeordnete Norbert Schellberg. "Ich werfe Schönbohm nicht
vor, die türkischen Polizeioffiziere empfangen zu haben. Aber er
hätte die Menschenrechtssituation in türkischen
Polizeigewahrsamen deutlich ansprechen müssen."
Schönbohm hatte aber in seiner Begrüßungsansprache
lediglich darauf hingewiesen, daß Minderheiten in Deutschland
einen anderen Stellenwert hätten als in der Türkei.
Kontakte zwischen Berliner und türkischen Polizisten finden
seit 1993 regelmäßig statt. Laut Innenverwaltung gehen sie auf
eine 1989 geschlossene Städtepartnerschaft zwischen
Istanbul und Berlin zurück. Der Austausch solle Schönbohm
zufolge "zu einer objektiveren und vorurteilsfreieren
Meinungsbildung sowie zur Akzeptanz anderer Lebenswelten
und Mentalitäten auf beiden Seiten führen". Die
"Antiterroreinheit" eben dieser Istanbuler Polizei hatte die
Berlinerin Güllu Selcuk in Polizeigewahrsam genommen und
gefoltert.
Bereits 1993 und 1995 gab es Austauschprogramme für
einzelne Beamte aus dem mittleren und gehobenen
Polizeivollzugsdienst, die jeweils mehrere Wochen dauerten.
Berliner Polizeibeamte besuchten Polizeidienststellen in
Istanbul, Ankara und Antalya, türkische Polizisten im
Gegenzug Polizeidienststellen in Berlin und Brandenburg sowie
das Büro der Ausländerbeauftragten Barbara John.
Die Ausländerbeauftragte Barbara John, aus deren Haushalt
der erste Polizeiaustausch 1993 teilweise finanziert wurde,
begrüßt die Kontakte. Sie wünscht mehr Polizeikontakte, damit
die türkischen Polizisten sehen, "daß Rechtstreue nicht
durchgesetzt werden kann, indem man die Menschen foltert".
Den Berliner Ordnungshütern würden im Gegenzug
interkulturelle Kenntnisse vermittelt.
Marina Mai
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